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Bonsai, Penjing, Landschafts-Penjing

Bonsai – Die Königsdisziplin der Gartenkunst

Der Bonsai ist in Japan heute ein fester, gestalterischer Bestandteil des öffentlichen wie privaten Lebens. Sowohl in Teehäusern, Tempelanlagen und Schulen, als auch in traditionellen Japanischen Gärten sind nach der alten Bonsaischule kultivierte Bäume zu finden und regen Betrachter dort immer wieder zu philosophischen Gedankengängen an.

Auch hierzulande erfreut sich die Kunst des Bonsai inzwischen zunehmender Beliebtheit, wobei die meisten Liebhaber auf vorgezogene Exemplare zurück greifen, die, je größer der Baum, relativ kostspielig sind. Kaum verwunderlich, denn einen Bonsaibaum selbst zu erziehen erfordert nicht nur einiges an Fingerspitzengefühl, sondern auch ein hohes Maß an Geduld.

Es kann nämlich mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern, bis sich ein Baum zu einem prächtigen Bonsai entwickelt. Um dies zu erreichen ist es für gute Bonsaigärtner erforderlich, die urtümliche Philosophie einer besonderen Gartenkunst zu verinnerlichen, aus der die Technik einst entstand: Penjing.

 

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Die Philosophie des Penjing

Bonsai (chinesisch: Penzai) bedeutet übersetzt soviel wie ‚Anpflanzung in der Schale‘ und stellt eine Sonderform des Penjing dar. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine über 2000 Jahre alte Form der Gartengestaltung, die sich durch Darstellung von Landschaftsszenerien in flachen Schalen auszeichnet.

Da Penjing ursprünglich aus China stammt, ist sie ferner mit zahlreichen Überzeugungen des Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus verknüpft. Im Fokus der Penjing-Kunst steht dabei der Einklang dreier Elemente, die nach chinesischer Auffassung für eine erfolgreiche Gartengestaltung, ebenso wie für das Gestalten eines Bonsai unerlässlich sind:

  • die belebte Natur: symbolisiert durch einen Baum
  • Berg und Wasser: symbolisiert durch einen Stein oder feinen Kies
  • der Mensch: symbolisiert durch bepflanzte Schalen

 

Grundsätzlich sind bei der Anpflanzung in Schalen nach Penjingart verschiedene Kombinationen der genannten Elemente denkbar. So beinhalten manche Schalen neben einem Baum kleine Felsformationen, Wasserläufe oder stehende Gewässer, die symbolisch für Berg und Wasser stehen. Auch können neben einem Baum noch andere Pflanzen die Schalen bevölkern, was den Eindruck einer artenreichen Landschaft erweckt.

Bei Bonsaischalen verhält es sich hingegen etwas anders. Hier sind nur selten andere Gewächse außer dem Baum selbst zu finden. Darüber hinaus sind die Steine, die Berg und Wasser symbolisieren, generell ins Wurzelwerk des Baums eingebracht, auch wenn Kies gelegentlich als Substratfüllung der Schalen dient.

 

Ursprünge der Bonsaigestaltung

Bereits während der Han-Dynastie, etwa gegen 212 n. Chr., ließen die Kaiser Chinas häufig künstliche Landschaften in ihren Palastgärten nachbilden. Dies geschah teils zur geistigen Inspiration, teils aber auch, um den kaiserlichen Herrschaftsanspruch zu unterstreichen. Die Natur im Kleinen rekonstruieren zu können, hatte immerhin einen gewissen Schöpfungscharakter.

Auch verstand der antike Glaube Chinas die Welt selbst als eine botanische Kreation, die nur von begnadeten, göttlichen Mächten geschaffen sein konnte. Wem es folglich gelang, diese himmlische Schöpfung in all ihrer Diversität wiederzugeben, dem galt die Position des Kaisers völlig zu Recht.

 

Penjing – Der Stolz chinesischer Kaisergärten

Höchste Anerkennung genossen damals auch die kaiserlichen Gärtner, denen gar magische Talente nachgesagt wurden. Bestätigt ist dies durch eine Legende, die zu Zeiten der Hang-Dynastie spielt. Ihr zufolge lebte am Hofe eines Han-Kaisers ein Zauberer namens Jiang-Feng, der die Fähigkeit besaß, Landschaften mitsamt Felsen, Gewässern, Pflanzen und Kreaturen verkleinert auf ein Tablett zu zaubern. Das Talent der Penjing-Gärtner wurde poetisch also tatsächlich mit einer magischen Kunst assoziiert, die sich auf flachen Pflanzschalen vollzog.

 

Bonsai, Penjing, Bonsaischale
Baummagie in einer Schale: der Bonsai

Weniger mystisch, dafür aber umso aussagekräftiger sind die ersten Kulturbücher zum Thema Penjing. So beschreibt das Buch ‚Yunlin Shipu‘ schon im 13. Jahrhundert geeignete Steinmaterialien zur Ausgestaltung der Miniaturlandschaften.

Andere Schriften sprechen die Größenverhältnisse der Schalen an und legten so den Grundstein für das Aussehen der späteren Bonsaischalen. Zudem entstanden in diesen frühen Epochen bereits die drei Hauptformen des Penjing, auf welche auch viele Wuchsformen des Bonsai zurück gehen:

  • Shumu Penjing (Baum-Penjing)
    die Schalenkultur besteht aus einem einzelnen Baum oder einer Pflanzengruppe
  • Shanshui Penjing (Landschafts-Penjing)
    die Schalenkultur besteht aus einer Miniaturlandschaft, die neben einem Baum auch krautige Pflanzen Moos und/oder Steinformationen enthält
  • Shuihan Penjing (Wasser- und Land-Penjing)
    die Schalenkultur besteht aus einer Miniaturlandschaft, die zusätzlich zu einem Baum, krautigen Pflanzen, Moos und /oder Steinformationen auch stehende oder fließende Gewässer enthält

 

Bonsai, Penjing, Landschafts-Penjing
klassischer Landschafts-Penjing

Vom Penjing zum Bonsaibaum

Zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert gelangte Penjing schließlich zur Vollendung. Maler verehrten die Gartenkunst in ihren Werken und Poeten formulierten die Grundsätze des Penjing in Gedichten und philosophischen Niederschriften. Auch taten sich inzwischen unterschiedliche Penjing-Schulen hervor, die je nach Region einen anderen Stil vertraten.

Es dauerte nicht lange, bis die Abgesandten einzelner Schulen ihre Schalen in Wettbewerben ausstellten. Gerade Privatpersonen der vornehmen Oberschicht begeisterten sich zunehmend für diese Form der Topfpflanzenkultur. Jeder, der etwas auf sich hielt, beschäftigte bald einen eigenen Penjing-Gärtner und ließ seinen Garten durch Zauberhand in eine Miniaturlandschaft verwandeln. Das Aufkommen chinesischer Steingartenkonzepte dürfte hierbei ebenfalls von der Penjingkunst geprägt worden sein.

 

Bonsaibäume in der japanischen Gartenkunst

Ihren bürgerlichen Durchbruch feierten die Miniaturlandschaften jedoch nicht im chinesischen Kaiserreich, sondern im japanischen Herzogtum der Edo-Zeit. Schon um 1200 brachten buddhistische Mönche erstmals Penzaiexemplare nach Japan, das damals vom Militärregime der Samurai-Shogune regiert wurde.

Trotz, oder vielleicht gerade wegen des strengen Shogunats, das chinesische Kulturelemente aufs schärfste verurteilte, gleichzeitig aber ähnlich monarchisch auftrat wie das Kaisertum des großen Nachbarn, kristallisierte sich im Land der aufgehenden Sonne die schlichte Bonsaigestaltung als Parallelstil zum aristokratischen Landschafts-Penjing heraus.

Anders als die Landschaftsmodelle chinesischer Penjingkunst rückte japanisches Bonsai den kunstvollen Minibaum ins Zentrum der Schalenkultivierung. Dem Gewächs an sich mehr Aufmerksamkeit zu schenken und seine natürliche Einzigartigkeit hervor zu heben, stand also ganz klar im Vordergrund. Was gleich blieb, war die Faszination, welche die kunstvollen Bonsaischalen auf Künstler und Poeten ausübten. Wenngleich diesmal mit einer sozialkritischen Note.

 

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gedrahteter Bonsai in Schale

Bonsaischalen – Im Kleinen das Große erkennen

Da monarchische Gesellschaftsstrukturen im Shogunat der Edo-Zeit den Ton angaben, gingen die Bedürfnisse des Individuums weitestgehend unter. Im Rahmen zahlreicher Bürgerbewegungen forderte die japanische Bevölkerung deshalb gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer vehementer eine Abkehr vom Grundprinzip der Militärmonarchie. Stattdessen sollte eine freie und natürliche Entfaltung jedes Einzelnen innerhalb der Gesellschaft gefördert werden.

Unterstützt wurden die Bürger in diesem Bestreben von vielen Literaten, die, ganz nach philosophischer Grundmanier, den Bonsai als Sinnbild einer erfolgreichen, individuellen Entwicklung wählten. Zwar benötigte das formvollendete Wachstum eines solchen Baums gelegentliche Formarbeiten, doch alles in allem gebot seine Aufzucht, den natürlichen Anforderungen der Pflanze zu folgen.

Die Betrachtung des Individuums hatte im Zeitalter der Samurai folglich nicht nur botanische, sondern auch politische Bedeutung. Was für die Kultivierung von Pflanzen gut ist, kann für die Regierung eines Volkes nicht schlecht sein, dachten sich wohl einige Philosophen. Schließlich trägt die ‚regierende Hand des Gärtners‘ in beiden Fällen zur Ästhetik seiner Gewächse bei, und erzieht sie unter Beachtung ihrer Individualbedürfnisse zu formvollendetem Wuchs heran.

Natürlich spielen auch Umwelteinflüsse bei dieser Entwicklung eine Rolle, was sie im Gedächtnis behalten sollten, wenn Sie sich für die Kultivierung eines Bonsai entscheiden.

 

Bonsai, Bonsaibaum, Penjing, Landschafts-Penjing
Von der rauen Natur geformte Bäume dienen dem Bonsai als Vorbild

Wichtige Bonsaiformen im Überblick

Die einstigen Bemühungen der Literaten, die Bonsaiphilosophie als soziales Konzept zu etablieren, ehrte die Bonsaischule seinerzeit mit der Gestaltungsform Bunjingi. Der traditionelle Bunjingi-Stil (auch Literaten-Stil) soll in Japan als erster seiner Art entstanden sein. Sein Name leitet sich vom japanischen Wort bunjin für ‚Mann des Wortes‘ oder ‚Literat‘ ab. Dabei beschreibt der Bunjingi eine der wenigen Aufbautechniken, bei der ein Bäumchen anstatt nach Vorbildern aus der freien Natur nach den Vorstellungen und dem Charakter einer poetischen Persönlichkeit gezogen wird.

Nicht wenige Bunjingi werden mit Gedichten oder Aphorismen bedacht, oder dienen als Modell für seltene Gemälde. Ein Literatenbonsai ist somit das Abbild eines wahrhaft weisen und belesenen Gärtners, der eins mit einem Baum geworden ist, um seine Kunst auf das Erscheinungsbild des Bunjingi zu übertragen. Oder umgekehrt.

In Japan stellt die Bepflanzung von Bonsaischalen im Literaten-Stil bis heute eine eigene Meisterschaft dar. Nur äußerst erfahrene Bonsaigärtner nehmen die Herausforderung an. Aus gutem Grund, denn bei der besonderen Wuchsform des Bunjingi lassen sich Anfängerfehler nicht so leicht ausbessern, wie bei einfacheren Formen.

Unser Rat an jeden, der sich für die Gestaltung von Bonsaischalen interessiert, lautet daher: Beginnen Sie mit leichten Wuchsformen. Verinnerlichen Sie zunächst die Grundschritte der Kultur und arbeiten Sie sich Stück für Stück zu anspruchsvolleren Varianten vor. Zur besseren Übersicht hier die wichtigsten Formen der Bonsaischule auf einen Blick:

WuchsformBeschreibung

Chokkan 直幹
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streng aufrechte Form
aufrechte Form
einfach

Bonsai mit streng geradem Stamm. Die Stammspitze liegt genau über dem Wurzelansatz. Chokkan sind in der Natur an windstillen Orten mit sehr gleichmäßiger Licht- und Nährstoffzufuhr zu finden, wie es etwa bei Alleebäumen oder Monokulturen in der Forstwirtschaft der Fall ist.

Besonderheit: Die streng aufrechte Form eignet sich hervorragend für Nadelgehölze, wie die Fichte. Für Anfänger sind Bonsaischalen im schlichten Chokkan-Stil sehr zu empfehlen.

Moyōgi 模様木
Bonsai, Bonsai Formen, Moyogi

locker aufrechte Form
aufrechte Form
einfach


Bonsai mit lockerem, geraden Stamm. Der Baum ist aufgrund dezenter Umweltschwankungen leicht bis melancholisch geschwungen. Seine Äste entspringen dabei etwas oberhalb der Stammschwingungen. Die Stammspitze liegt im Lot über dem Stammfuß.

Besonderheit: Moyōgi erfordert nur leichte Formmaßnahmen. Der Bonsai im ersten Drittel der Bonsaischalen angesetzt, nicht in der Schalenmitte.

Hokidachi 箒立ち
Bonsai, Bonsai Formen, Hokidachi

Besenform
aufrechte Form
einfach

Der Besenbonsai besitzt einen kurzen, gerade wachsenden Stamm mit zentral gefächertem Geäst in Form einer Kreis- oder Dreieckskrone. Alle Äste entspringen auf selber Höhe, was dieser Form des Bonsai ihr besenförmiges Aussehen verleiht.

Besonderheit: Die Besenform eignet sich hervorragend zur Kultivierung europäischer Laubgehölze in Bonsaischalen. Beliebte Hokidachi sind hier vor allem die Hainbuche und der Ahorn.

Kabudachi 株立(ち)
Bonsai, Bonsai Formen, Kabudachi

Mehrfachstamm
aufrechte Form
fortgeschritten

Dieser Bonsai wird aus Trieben eines Hauptbaumes gezogen und soll den Charakter eines Waldes wiedergeben. Bis auf den gemeisamen Stammfuß müssen die einzelnen Bäume aber unterschiedlich geartet, das heißt in Höhe und Dicke ungleich sein. Auch die Gesamtzahl der Bäume ist meist ungerade.

Besonderheit: Kabudachi werden in der Mitte von länglichen Bonsaischalen angesetzt. Eine Kombination mit anderen Wuchsformen ist möglich, sollte aber einheitlich angewendet werden, um die Stimmigkeit des Bonsai zu

Sōkan 双幹
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Zwillingsstamm
aufrechte Form
fortgeschritten

Besondere Variante des Mehrfachstamms, die doppelstämmige Bäume nachbildet. Der Hauptbonsai besitzt zu diesem Zweck einen sehr tief entspringendem Nebenast, der wie ein kleiner Zwillingsstamm anmutet und häufig durch Abmoosen künstlich erzeugt wird. Gemeinsam bilden Haupt- und Nebenast eine spitzwinklige Krone.

Besonderheit: Diese sog. Zwillingsstämme lassen sich mit anderen Formen kombinieren. In Japan werden Bonsaischalen im Sōkan-Stil auch 'Mutter und Kind' bzw. 'Vater und Kind' genannt.

Sankan 三幹
Bonsai, Bonsai Formen, Sankan

Dreifachstamm
aufrechte Form
fortgeschritten

Eine weitere Variante des Mehrfachstamms. Ein Bonsai dieser Form folgt den Prinzipien des Sōkan und ist eine ähnlich seltene Laune der Natur.

Besonderheit: Sankan ist in Japan auch als 'Vater, Mutter und Kind' bekannt. Sie können die Wuchsform problemlos aus einem Prebonsai im Sōkan-Stil ziehen.

Yose-ue 寄せ植え
Bonsai, Bonsai Formen, Yose-ue, Waldbonsai, Waldform

Waldbonsai
aufrechte Form
fortgeschritten

Eine Gruppe aus jungen Bäumen wird so gepflanzt, dass der Eindruck eines Waldes entsteht. Die exakte Anzahl der Bäume sollte von außen nicht sofort einsehbar sein. Die Tiefenwirkung wird bei der Waldform durch das Arrangieren größerer Bäume im Vordergrund erreicht. Kleinere Baumexemplare stehen im Hintergrund. Um authentisch zu wirken sollte zudem die Waldkrone des Yose-ue ungleichmäßig sein.

Besonderheit: Ein Waldbonsai profitiert von der Pflanzung mehrerer Gewächsgruppen in ovalen Flachschalen. Auch mit Moos bewachsene Böden lassen Yose-ue in ihren Bonsaischalen gut zur Geltung kommen. Für das Wurzelwerk sollten Sie ausschließlich flache Natursteine verwenden.

Shakan 斜幹
Bonsai, Bonsai Formen, Shakan, geneigte Form

geneigter Bonsai
aufrechte Form
fortgeschritten

Der Bonsai im Shakan-Stil ist einem Baum in freier Natur nachempfunden, der durch beständige Winde einen schwach oder stark geneigten Wuchs aufweist. Um die geneigte Form nachzustellen, muss der Baum während der Kultivierung leicht schief stehen. Wurzeln auf der geneigten Seite lassen sich so gut verstärken und bieten Shakan-Bäumen in ihren Bonsaischalen damit ausreichenden Halt.

Besonderheit: Die Wurzelverstärkung erfolgt bei Laubbäumen durch Zug-, bei Nadelbäumen durch Druckholz. Diese Holzbildung bei einem Bonsai zu erreichen, gelingt nur durch sehr vorsichtiges Anheben der Wurzeln, und ist dementsprechend anspruchsvoll.

Fukinagashi 吹流し
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windgepeitschte Form
Luftform
anspruchsvoll

Dieser Bonsai ist das Abbild eines sogenannten Windflüchters. Mit dem Namen werden Bäume in Küsten-, Berg- oder Steppenregionen bezeichnet, die konstantem Sturm ausgesetzt sind und sich deshalb stark in Richtung des Windschattens neigen. Als Bonsai werden Fukinagashi meist aus einem Prebonsai im Moyōgi-, besser noch im Shakan-Stil gezogen.

Besonderheit: In ihrem tragischen Erscheinungsbild sind Fukinagashi Luftformen eine Steigerung des Shakan. Für die Bonsaigestaltung ist hier ein stetes Entrinden und Drahten von Stamm und Geäst notwendig. Besonders schön zur Geltung kommt dieser Bonsai in Kombination mit Wuchsformen wie dem Zwillings- oder Dreifachstamm.

Han-Kengai 半懸崖
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Halbkaskade
Luftform
anspruchsvoll

Natürliches Vorbild der Halbkaskade sind in Felsnischen wachsende Bäume. Sie wachsen dem Sonnenlicht entgegen oder wurden im frühen Entwicklungsstadium durch Schneebruch oder Steinschlag in ihrem Wuchs beeinflusst. Dieser senkt sich beim Han-Kengai leicht nach unten ab, verläuft aber noch oberhalb des Schalenbodens. Am höchsten Punkt der Halbkaskade baut sich eine Rund- oder Dreieckskrone auf, die in zarten Schwüngen bis zur Kaskadenspitze verläuft.

Besonderheit: Aufgebaut wird die Halbkaskade aus einem längeren Seitenast im unteren Drittel des Prebonsai. Um dem Baum mehr Stabilität zu verleihen, müssen hohe Bonsaischalen verwendet werden. Am besten für die Aufzucht eines Han-Kengai geeignet sind Nadelgehölze.

Kengai 懸崖
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Kaskade
Luftform
anspruchsvoll

Die Kaskade ist als Luftform eine Steigerung der Halbkaskade und wächst im Gegensatz zu dieser über den Schalenboden hinaus. Während der gezogene Seitenast noch über der Schale wächst, verzweigt er sich nach unten hin spitz zulaufend.

Besonderheit: Zum Erhalt des Gleichgewichts besitzen die natürlichen Vorbilder des Kengai sehr kräftige Wurzeln, die dem Baum trotz kaskadenförmigen Wuchs eine gute Stabilitätsgrundlage bieten. Auch Bonsais in Kaskadenform sollten diese Standhaftigkeit aufweisen, nicht zuletzt auch, um zu verhindern, dass sie ab einer gewissen Größe aus ihren Bonsaischalen kippen.

Ishitsuki 石付き
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Bonsai am Felsen
Felsform
anspruchsvoll

Der Prebonsai wird hier auf einem kleinen Gesteinsfelsen gezogen. Die Wurzeln liegen in einer Felsspalte oder Mulde, die mit einer Erdemischung aufgefüllt ist. Das Substrat sollte vor Ausschwämmung durch Wasser geschützt sein.

Besonderheit: Traditioneller Weise stehen Ishitsuki Felsformen auf einem Tablett mit Wasser.

Sekijōju 石上樹
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Bonsai über Felsen
Felsform
anspruchsvoll


Die Wurzeln dieses Bonsai wachsen um einen Gesteinsfelsen herum. Er soll eine natürliche Wuchsform von Bäumen darstellen, die an Felshängen gedeihen und deren Erdreich vom Regen abgetragen wurde.

Besonderheit: Sekijōju Felsformen sind sehr seltene Bonsaiformen und äußerst schwer zu kultivieren.

Neagari 根上り
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Luftwurzelform
Luftform
schwer

Neagari sind Mangrovenbäumen und Bäumen nachempfunden, deren Erdboden großzügig vom Regen ausgewaschen wurde. Die freigelegten Wurzeln lassen sich durch Ziehen eines Prebonsai im Sekijōju-Stil erreichen. Ist die gewünschte Form des Wurzelgerüsts erreicht, wird der Wurzelstein entfernt und durch ein unterirdisch liegendes Exemplar ersetzt.

Besonderheit: Die Luftform des Bonsai ist im Wurzelbereich sehr empfindlich. Wurzeln sollten robust zu tragendem Unterbau ausgewachsen sein, ehe man die Wuchshilfe entfernt.

Bankan 蟠幹
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Drachenbonsai
Charakterform
schwer

Diese Charakterform wird als Glückssymbol in Form eines zusammengerollten Himmelsdrachen gezogen. Während der Stamm des Bonsai den Drachenleib bildet, symbolisiert das Geäst die Gliedmaßen des Drachen.

Besonderheit: Bankan erfordert meist sehr viele, formgebende Draht- und Schnittmaßnahmen, um die Körperwindungen eines Lindwurms zu erreichen.

Bunjingi 文人木
Bonsai, Bonsai Formen, Bunjingi, Literatenbonsai

Literatenbonsai
Charakterform
schwer

Kunstvoller Bonsai mit auffällig hohem, dünnen und elegant geschwungenem Stamm. Der individuelle Charakter einer künstlerischen und poetischen Persönlichkeit bestimmt die Gestaltung. Das Geäst des Literatenbonsai ist nur sehr dezent ausgebildet

Besonderheit: Die Charakterform des Bunjingi ist die Meisterdisziplin des Bonsai, da absolutes Augenmaß und Stimmigkeit von Stamm und Ästen erforderlich ist.

Fazit

Bonsai steht symbolisch für die Einheit von lebender Natur, Naturelementen und menschlichem Kreationstalent. Für ambitionierte Gärtner im Besonderen bedeutet ein selbst gezogener Baum dieser Art zudem gestalterische Perfektion auf höchstem Niveau.

Zwar bringt die prachtvolle Gestaltung heutzutage nicht mehr den Titel eines kaiserlichen Gärtners ein, doch als Profigärtner haben sie sich mit der erfolgreichen Kultivierung dennoch bewährt. Zu Recht, denn wem es gelingt, langlebige Naturkunstwerke in Bonsaischalen zu kultivieren, der muss schon einiges an gärtnerischer Disziplin beweisen.

Anfangen sollten Sie diesbezüglich mit einfachen Wuchsformen. Durch stetes Pflanzenstudium, Beobachtung und praktische Arbeit erlangen Sie dann schrittweise mehr Sicherheit beim Arbeiten. Mit etwas Geschick können Sie ihn nachträglich sogar in eine andere Form umerziehen. Geschehen sollte dies stets mit Bedacht auf das sichere Überleben des Baumes. Immerhin ist ein Bonsaigärtner gemäß der Bonsaischule nur, wer seinen Bonsai auch zu erhalten weiß.

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